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Ein Wort weit entfernt
Cyberpunkiger Scheiß, jo!
e. a. pooh, Freitag, 16. Oktober 2015, 11:13 PM
Ja, hallo Pipl/blacky und willkommen zum zweiten Schreib RPG. Regeln siehe erstes, zusätzlich wäre es aber cool, wenn jeder Mitspieler einen kleinen Steckbrief (Name, Herkunft, Charakter, Ziel usw.) hier drunterschreiben könnte, damit man ungefähr weiß, woran man ist.

Schenario:
Wir schreiben das Jahr 2254. Die Welt hat sich seit unserer Zeit stark gewandelt. Die größten multinationalen Konzerne – sogenannte Megakons – besitzen eine Form der Exterritorialität, was ihnen erlaubt, unbehelligt von staatlichen Gesetzen auf ihrem eigenen Grund zu agieren. Polizeiliche Aufgaben werden ebenfalls von einzelnen Konzernen übernommen. Die meisten Konzerne besitzen große Flächen, in denen sie eine eigene Sicherheitsarmee unterhalten, die Gesetze bestimmen und sich keinem Staat fügen müssen.
Weite Teile der Erde sind durch rücksichtslose Ausbeutung und Katastrophen zerstört. Der Meeresspiegel ist stark angestiegen, Wälder wurden abgeholzt, fruchtbare Landschaften wurden durch Umweltgifte zerstört und sind nun totes Ödland.
Die Katastrophen haben zusammen mit mehreren Pandemien eines stark mutagenen Virus – dem ein Drittel der Weltbevölkerung zum Opfer fiel – die urbane Gesellschaft stark polarisiert: eine vergleichsweise wohlhabende Schicht von Konzernangestellten, die in geschützten Enklaven ihres jeweiligen Konzerns leben und eine große Schicht von Armen, die weitgehend rechtlos außerhalb der Konzerne leben. Dadurch haben sich in allen großen Megacitys große Slums und Armenviertel gebildet.
Die Technologie hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Besonders in den Bereichen Robotik, KI-Programmierung, Medizin, Genetik und Genmanipulation, Verschmelzung von Mensch und Technik und der Kommunikation wurden große Fortschritte erzielt. So sind z.B. künstliche Implantate, genetisch optimierte Menschen und denkende Maschienen allgemein akzeptiert, auch wenn das Meiste dieser Dinge sehr teuer sind.

Unsere Geschichte soll in Shanghai spielen. Shanghai hat sich zu einem gigantischen Komplex entwickelt und beherbergt mehrere 10 Millionen Einwohner. Die größten ansässigen Konzerne sind in der Unterhaltungsindustrie tätig. Außerdem hat fast jede große internationale Firma hier einen Sitz, da Shanghai eine der größten Städte der Welt ist.

Also, ihr faulen Lappen, auf geht´s Steckbrief schreiben! Wer noch eine Anregung braucht-typische Cyberpunk Charaktere wären zum Beispiel Söldner, Hacker, Auftragsmörder, Betrüger, Drogensüchtige, Androiden, Cyborgs oder alles zusammen.

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e. a. pooh, Samstag, 17. Oktober 2015, 12:06 AM
Sooo, hier ist auch schon mein Steckbrief.



Name: PG 837

Rasse: PG 837 ist ein intelligenter humanoider Roboter, der als Fabrikarbeiter und Soldaten erschaffen wurde. Er und die anderen seiner Baureihe namens PG wurden in einer chinesischen Megatown fabriziert, um dort in den Fabrikanlagen und Lagerhallen einer großen Firma zu arbeiten und sie zu bewachen.

Geschichte: Er gehört zur Baureihe PG. Diese Baureihe konnte zwar auch eigenständig handeln, wurde aber durch eine KI kontrolliert. Doch eines Tages kam es zu einem Überfall eines Konkurrenten auf das Firmengelände, dass die PGs bewachen sollten und der Zentralcomputer wurde zerstört. Die KI, die die PGs kontrollierte, erlosch und die robotischen Einheiten waren plötzlich auf sich selbst gestellt. Einige wurden noch am selben Tag zerstört, manche löschten ihre Datenspeicher und damit ihr Bewusstsein selbst, doch PG 837 war einer der wenigen, der ein Bewusstsein entwickelte und damit eine Identität ausbildete. Allerdings wurde 837 an jenem Tag von einem Geschoss getroffen, das einige seiner Systeme zerstörte. Er konnte sie damals selbst reparieren, hat seitdem jedoch einige Fehlfunktionen.

Alter: Seit dem ersten Hochfahren seiner Schaltkreise sind 14 Jahre, 3 Monate, 22 Tage, 9 Stunden, 22 Minuten und 54 Sekunden vergangen.

Aussehen: Humanoid, ein Photonenrezeptor auf dem Kopf ermöglicht es ihm zu sehen, kann aber auch Licht abgeben. Nach außen hin sind einige Kabel und Schläuche zu sehen, ansonsten besteht er hauptsächlich aus Metall. Seine Hände besitzen nur drei "Finger".

Charakter: Auch, wenn PG 837 es geschafft hat, ohne die alles lenkende KI zu existieren, hat er keine besonders ausgeprägten Emotionen. Mitgefühl, Angst, Liebe und vieles andere sind chemische Reaktionen des Körpers, die 837 nicht empfinden kann. Mit dem Erlöschen der KI sind aber auch alle Auftragsprotokolle gelöscht worden, weshalb er einige identitäre Vorlieben und Abneigungen bilden konnte.

Vorlieben: Sachliche Diskussionen über den Sinn hinter Dingen und andere Computer, egal ob intelligent oder nicht. Außerdem hat er mit einem ärgerlicherweise völlig irrationalen Schutzreflex bei kleinen Kätzchen zu kämpfen.

Abneigungen: Kunst, Lyrik und Menschen mit starken Stimmungsschwankungen, da er diese Dinge nicht versteht. Stark emotionalisiertes Handeln kann er nicht nachvollziehen. Außerdem hat er die Erfahrung gemacht, dass Schrotthändlern nicht zu trauen ist. Kaum guckt man weg, versuchen sie, einem den Arm abzuschrauben.

Waffe: Seine Waffe verlor er an jenem Tag in dem Firmenkomplex, aber seine Fäuste sind sprichwörtlich aus Stahl.

Aufgabe/Ziel: 837 hat keine Aufgabe mehr, der er sich widmen muss. Deshalb streift er durch die Welt und sucht nach dem Sinn seiner Existenz oder etwas, dass ihr einen Sinn geben kann. Währenddessen versucht er, die Welt der Menschen und ihre Gefühle zu verstehen. 

Name: Vincent "V" Davul

Rasse: Cyborg (Ehemals Mensch)

Geschichte: Vincent wurde in eine Gesellschaft voller Freaks und Außenseitern hineingeboren, in der ein Leben mit Drogen und Kriminalität schon vorprogrammiert war. Er lebte teilweise innerhalb und teilweise außerhalb der Städte. Als ein Angehöriger der Niedersten der Niederen bekam er die Willkürlichkeit der Konzerne deutlich zu spüren. Er dealte bereits mit 10 Jahren mit allem, was er in die Finger bekam, geriet regelmäßig mit der Polizei aneinander und verbrachte schon so manchen Monat hinter Gittern. Mit der Zeit wurde er allerdings schlauer und ließ sich kaum noch erwischen, wenn eine Sache am Laufen war. Er arbeitete sich in der Dealerhierarchie hoch, bis er, trotz seines Aussehens (oder gerade deswegen), auch die Schönen und Reichen versorgte. Von da an führte er eine Art Doppelleben. Wohlbekannt bei der Polizei, konnte er auf der Straße kaum Geschäfte machen, doch war er bei den Oberen immer wieder gern gesehen. Bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei wurden irgendwann sein linkes Auge und beide Unterarme völlig unbrauchbar gemacht. Alles wurde ihm letztendlich, von einer reichen Gönnerin finanziert, erneuert.

Alter: 23

Aussehen: Als Außenseiter sah er nie ein, wieso er normal rumlaufen sollte, also lief er so rum, dass er auffallen musste, bewegte sich in Subkulturen, stählte seinen Körper. So bestand seine Haarpracht aus Dreadlocks, die wild umher flogen und die verschiedenste Farben hatten. Das Spektrum reichte von Tiefschwarz über Hellblond und Neonfarben bis hin zu leuchtenden synthetischen Dreads. Zusätzlich hatte er noch ein Kopftuch und eine Schweißerbrille, die er meistens über dem Tuch trug. Sein Kinn zierte ein Bart, den er zu zwei kleinen Dreadlocks gemacht hatte. Er trug meistens schwarze Westen oder Tanktops und weite, schwarze, schlabbernde Hosen, die allerdings auch mit Nieten und teilweise neonfarbenen Nähten verziert waren. Seine Schuhe waren schwere, schwarze, mit Metallplatten und -schnallen verzierte Stiefel. Seine Haut war, abgesehen von Hals und Kopf, über und über mit Tattoos bedeckt, wobei häufig Szenen abgebildet waren, die irgendwelchen Fantasien von Drogentrips gleichten. Seine Unterarme und Hände sahen bis auf eine Narbe auf jeder Seite, die sich jeweils vom Ellenbogen bis zur Handkante längs über den Arm zog, normal aus, man hatte wieder Haut drübergezogen, die bereits wieder tätowiert war. Sein wohl markantestes Merkmal waren seine Augen: Sein linkes Auge wurde durch einen schwarzen Photonenrezeptor ersetzt. Es war, als würde sein ganzes linkes Auge eine einzige Pupille sein. Sein rechtes Auge dagegen war von Natur aus tief lila gefärbt. Um sein rechtes Auge herum hatte er sich "Kajal" tätowieren lassen (unfassbar praktisch, wie er fand).

Charakter: Vince nahm das Leben nie besonders schwer, er ließ die Dinge auf sich zukommen. Dennoch neigte er, sehr zum Leidwesen seines Umfelds, zu Stimmungsschwankungen gemischt mit sehr sehr undurchdachten Ideen, die er dann manchmal sofort in die Tat umsetzte. Davon abgesehen war er eher ein Draufgänger, vermied aber Gewalt, wo es ging (es sei denn, seine Stimmungsschwankungen setzten ein).

Vorlieben: Abgedrehte Drogen; Fleisch; dunkle, elektronische Musik mit Hang zu ausgeflippten; Sternenhimmel; Dubiose Clubs; Partys der Reichen

Abneigungen: Polizei; Gesetze/ Regeln

Waffen: In die Unterarme eingelassene Messer; eine halbautomatische Pistole mit leicht verlängertem Magazin; 2 Rauchgranaten

Aufgabe/Ziel: Überleben um jeden Preis

Name: Ylva Xung

Rasse: Mensch

Geschichte: Ylvas Kindheit war leicht und unbechwert. Durch ihren Vater, einen hohen Mitarbeiter bei der Firma "Robotic Design", konnte ihr eine gute Ausbildung ermöglicht werden. Diese Ausbildung beinhaltete auf Wunsch des Vaters die Abgrenzung von niederen Klassen und eine Menge Sport. So wuchs Ylva in einer sorglose Welt auf, die getrübt wurde, kaum dass sie ihr Studium abgeschlossen hatte. Ihr Vater starb etwa zwei Monate nach ihrer Diplomarbeit. Sie übernahm seine Stelle bei "Robotic Design" und bemerkte schon bald, dass das wahre Leben nicht ganz so einfach war wie ihre Kindheit. Dennoch setzte sie sich durch, behielt den Job und arbeitete sich bis in die Führungsetage der Firma. Mit 24 Jahren hebelte sie den Manager aus, der ihren Aufstieg verhindert hatte, und nahm seinen Posten ein. Doch nicht einmal ein Jahr später wurde ihr bewusst, dass selbst den führenden Managern einiges verschwiegen wurde, und so machte sie sich daran, Informationen zu sammeln. Wenige Monate später musste sie fliehen, da ihr Handeln entdeckt worden war.

Alter: 25

Aussehen: Schulterlange, glatte, schwarze Haare mit dunkelroten Strähnchen, Sidecut rechts; Kristallblaue Augen; Schlanke, sportliche Statur; 1,70m groß; schwarze, relativ eng anliegende Kleidung mit vielerlei Ösen, Kettchen und kleinen Schnallen; Mantel

Charakter: Urspünglich von sanftem und mitfühlendem Gemüt, hatte die kurze Zeit im Geschäftsleben sie Unnachgiebigkeit und Intrige gelehrt. Auch wenn diese beiden Eigenschaften von großer Relevanz für die Karriere waren, legte sie das Kindliche nie ab und bewahrte sich den guten Willen. Ihre große Schwäche und Stärke war jedoch nach wie vor ihr Mitgefühl. Dieser Eigenschaft hatten einige Mitarbeiter ohne sonstige Perspektiven den Arbeitsplatz arhalten.

Vorlieben: Sanfte Gerüche, Parfums, Komfort

Abneigungen: Korruption, Ungerechtigkeit

Waffen: Springmesser
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e. a. pooh, Samstag, 17. Oktober 2015, 11:22 PM
Mit einem leisen Summen fuhren PG 837s Systeme hoch. Er hatte sie für einige Stunden heruntergefahren, um seinen Energieverbrauch nicht unnötig zu überhöhen. Seine Fusionszellen waren nicht mehr die neuesten. Eigentlich waren sie eher das Gegenteil; alt und kaputt. Er brauchte dringend einige dieser Credits, auf die die Menschen so scharf waren. Dann könnte er sich in einer Werkstatt eine neue Zelle einbauen lassen. Doch bisher besaß er keinen einzigen Credit. Bisher hatte er noch nicht herausfinden können, woher die lokale Bevölkerung sie bezog.

Nach wenigen Sekunden waren seine Systeme hochgefahren, sein Photonenrezeptor flackerte kurz und nahm dann seine Funktion war. Gleichzeitig erreichte ihn eine Fehlermeldung. Neben einer Meldung, die ihn aufforderte, seine Fusionszelle zu wechseln, tauchte eine ganz erstaunliche Meldung auf: sein rechter Arm fehlte. Verblüfft warf er einen Blick auf seine rechte Schulter, aus der noch ein säuberlich abgetrenntes Kabel lugte. Wenige Zentimeter (27,81cm genauer gesagt) von seiner Schulter entfernt verharrte eine klobige Zange in der Luft. An der Zange befand sich eine Hand, an der Hand ein Arm und am Ende des Armes hockte ein erstaunt blickender, schmutziger Junge. Zumindest hielt 837 ihn für einen. So genau kannte er sich damit nicht aus. Der Junge hatte wohl nicht damit gerechnet, dass dieser heruntergekommene Roboter sich noch bewegen konnte. Neben ihm lag PG 837s vermisster Arm. Da 837 wusste, dass Menschen mit Gewalt an sich kein großes Problem hatten, aber ziemlich erbost wurden, wenn sich diese gegen die Filialgeneration richtete, entschied sich 837 für einen diplomatischen Ansatz.
"Erbost: Gib mir meinen Arm wieder", ließ er seinen schnarrenden Stimmmodulator mit wie üblich vollkommen monotoner Stimme ausrichten. Er hatte festgestellt, dass Menschen großen Wert darauf legten, dass man ihre emotionale Lage an ihrer Stimme erkennen konnte. Doch 837 konnte weder verschiedene Emotionen aus einer Stimme heraushören, noch konnte er so etwas selbst erzeugen. Daher war er dazu übergegangen, die Gefühle, die ein Mensch an seiner Stelle gehabt hätte, in Worte zu fassen. So würde sich hoffentlich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Menschen sein ausdrucksloses "Gesicht" und seine Stimme ohne erkennbaren Mund nicht unheimlich fanden.
Im Falle des Jungen funktionierte es nicht. Erschrocken sprang er auf und lief die dunkle Seitengasse hinunter. Es gab zwar keine Lichter, doch die riesigen Werbereklamen an den zahlreichen Wolkenkratzern erhellten selbst die dunkelsten Straßenschluchten zu jeder Zeit.
Mit einem "Wütend: Verdammte Kinder" rappelte 837 sich auf und machte sich an die Verfolgung des Jungen. Hoffentlich konnte er ihn noch einholen. Wie sollte er mit nur einem Arm Geld für seine Fusionsbatterie beschaffen?

V stand an seiner üblichen Straßenecke, von der er immer abgeholt wurde. Er schaute auf die Uhr: 02:51. In wenigen Minuten würden die Konzerne wieder ihre Kontrolldeppen rausschicken. Er würde nur noch bis 5 vor 3 warten, dann könnten sine Gastgeber sehen, wo sie heute ihr Zeug herbekommen würden.

V beobachtete die letzten paar Streuner, die noch eilig versuchten, vor Einsatz der Polizei nach Hause zu kommen. Wer es nicht rechtzeitig schaffte, musste mit Schikanen und Arrestzelle für die Nacht rechnen. Wieder ein Blick auf die Uhr: 02:54. Noch während er auf die Uhr blickte, sprang sie eine Minute weiter. Als er sich gerade zum Weggehen wandte, tauchte eine lange, tiefschwarze Limousine auf und hielt vor ihm. Die hintere Tür ging auf und eine verführerische Stimme bat ihn hinein. Er lächelte. Sein Überleben für den Monat war gesichert. Der Gastgeber war für ausschweifende Feiern bekannt. Es war in oberen Kreisen ein wohlbekanntes Geheimnis, dass dort stets sehr viele und sehr kranke Drogen konsumiert wurden. Drogen, die nur von ein paar wenigen Leuten aus der Unterwelt besorgt werden konnten.

V wusste, dass die Bezahlung ihm ein paar Wochen ohne Sorgen ermöglichen würde. Des weiteren waren solche Feiern für ihn persönlich eine Möglichkeit, sich mit anderen Industriellen gut zu stellen. Er lächelte abermals. Es würde eine lange Nacht werden.

Schneller als 837 kalkuliert hatte flitzte der Junge durch die nächtlichen Straßen. Auch, wenn die schmalen Gassen und Nebenstraßen wie leer gefegt waren, tönten von überall her Geräusche. Verkehrslärm von den Straßen und Brücken, die man bis in schwindelerregende Höhen zwischen den riesigen Gebäudekomplexen errichtet hatte und lautes Gerede und Gelächter aus den zahlreichen Kasinos und dreckigen Kneipen der Gegend schwemmten in die vermüllten Gassen, die vom grellen Neonlicht ferner Werbereklamen belichtet wurde. Über all dem lag der dunkle Nachthimmel, an dem kein einziger Stern zu sehen war, zu hell war die Stadt. 837 hatte einige Frauen mit sehnsuchtsvoller Stimme von den Sternen reden gehört. Auf der Spitze der höchsten Gebäude, die wie Berge aus dem dunstigen Smog der Stadt stießen, waren sie angeblich noch zu sehen. Was daran so besonders sein sollte, verstand 837 allerdings nicht.
Was er allerdings auch nicht verstand war, wie so ein kleiner Junge mit seinem nicht grade leichten Arm über die Schulter so lange so schnell und flink laufen konnte. Geschickt schlüpfte er durch kleine Löcher in Zäunen, sprang über Container und Mauern und war drauf und dran, den ungleich schwereren 837 abzuhängen. Sein Körper war für schwere Arbeiten und harte Kämpfe gebaut worden, nicht für Sprints durch einen urbanen Parcour. Außerdem war sein Gleichgewichtssinn durch das verlorene Gewicht seines Armes durcheinander, aber er hatte keine Zeit, um stehen zu bleiben und ihn neu zu kalibrieren. Er konnte nur hoffen, dass dem Junge bald die Puste ausgehen würde.

Vincent erwachte in einem der Gästezimmer der Villa. Es war ein luxuriös eingerichteter Raum mit einem großen Bett und allerlei dunklen, aber sehr romantisch anmutenden Farben. Der Hausherr legte offenbar viel Wert auf den gotischen Baustil, bemerkte V. Er schaute sich um, noch halb benommen von der letzten Nacht. Das was er suchte, fand er zunächst nicht. Dafür entdeckte er seine Klamotten quer im Zimmer verteilt. 'Na super', dachte er sich, 'mal sehen, wem ich heute Nacht auf die Füße getreten bin'. Er torkelte ins Nebenzimmer, wo er schließlich des Rätsels Lösung fand.

Vor dem Spiegel, DEN hatte er gesucht, sah er sein Nasenröhrchen. 'Puh, nur ein Trip'. Er kontrollierte sich im Spiegel und befand, dass seine Pupille zwar noch nicht wieder auf ihre normale Größe zurückgeschrumpft sei, dies aber bei ungenauem Hinsehen nicht ins Gewicht falle, da seine Erscheinung sowieso nicht unbedingt normal war. Des weiteren schienen sich seine Tattoos noch hier und da ein wenig zu bewegen, aber auch dem konnte man mit ein oder zwei zusätzlichen Stunden Ausnüchtern Abhilfen verschaffen.

Vincent zog sich an und stapfte aus dem Zimmer. Sofort fiel ihm eine Dame um den Hals. "Hallo Ling. Hast du geschlafen?", fragte er, nachdem er erkannte, wer an ihm hing. "Nicht so wirklich", kam es zurück, "wäre aber keine schlechte Idee." Mit diesen Worten löste sie sich von ihm und verschwand nun ihrerseits im Gästezimmer. V zuckte mit den Schultern und suchte den Gastgeber. Bei seinem Streifzug durch die Villa entdeckte er überall Flecken, bei denen er nicht wirklich wissen wollte, was es war. Es gab nach solchen Feiern immer mehrere Möglichkeiten, keine davon war wirklich angenehm. Den Hausherrn fand er schließlich putzmunter im Büro.

"Vince! Das war ein ausgezeichneter Stoff, den du da mitgebracht hast. [Bei einem Typen mit fünf Mägen, weil Mutant, war dies ein beachtliches Kompliment.] Wir nehmen doch den Pauschalpreis, nicht wahr?" Vincent hatte zwar mehr mitgebracht, als bestellt war, und dazu noch etwas ganz besonderes mitgebracht, doch dieser Herr war ein Stammkunde von ihm und entgegen all seiner Prinzipien so etwas wie ein Freund geworden. Deshalb sagte er: "Na klar, Funghus, für dich schon."

Zwei Stunden später strich er um einen großen Teil seines Verstandes, ein Frühstück und satte 400000 Credits reicher durch Hinterhöfe und freute sich auf einen Tag in seiner Hängematte zum kompletten Runterkommen. Doch dieser Wunsch sollte ihm offensichtlich verwehrt bleiben, denn kaum bog er in die Gasse ein, die zu seinem Heim aus mehreren verschweißten und in Eigenarbeit umgebauten Containern führte, rannte ihn ein Junge fast über den Haufen und ließ dabei etwas fallen. Als der Junge danach greifen wollte, zielte ein sichtlich gereizter Vincent Davul mit einer Pistole direkt auf seinen Kopf. Der Junge hielt kurz inne und ergriff dann enttäuscht, eilig, ohne Beute und nach einem "Zieh Leine" die Flucht.

Die Beute indes wurde aufgehoben und interessiert beäugt. Vincent freute sich, dass zu dem Geld nun auch noch ein Robeterarm der Reihe PG gekommen war. Doch seine Freude hielt sich nicht lange, denn der dazugehörige Roboter bog schon wenige Sekunden später um die Ecke und hielt wie eine Dampfwalze direkt auf ihn zu. Vinvent rettete sich mit einem Hechtsprung hinter die Ecke, wo der Zusammenprall mit dem Jungen stattfand, während der PG an ihm vorbeizog. Dieser wendete schließlich und wollte ihn scheinbar gerade angreifen, bis Vincent ihn mit einem geschriehenen "STOPP!" zum Innehalten brachte. "Ich will weiß Gott keinen Stress heute morgen. Ich bin dafür, wir überspringen den 'Wir-kämpfen-bis-zum-Umfallen'-Teil und ich gebe dir deinen Arm sofort und unkompliziert." Der Roboter schien kurz darüber nachzudenken.

Als 837 den Mann sah, in der einen Hand seinen Arm, in der anderen eine Pistole, griffen für einige Sekunden seine alten Routineprogramme aus seiner Zeit als Wachroboter in seine Prozesse ein. Er hatte sie nur überschreiben, aber nie entfernen können, da dafür eine Umprogrammierung nötig gewesen wäre, die sein Bewusstsein zu 79,3% verändert und zu 31,45% ausgelöscht hätte. Das Programm ließ ihn auf den Mann losgehen, doch da der Mann seine Waffe nicht hob, konnte er seine alte Programmierung schnell überwinden. Nun dachte er über das Angebot nach.
Das Problem war, dass es Robotern per Gesetz nicht erlaubt war, Dinge zu besitzen, da sie selbst eigentlich nur der Besitz eines Menschen waren. Sie waren Dinge, keine Lebewesen. Intelligente Roboter mit einem eigenen Bewusstsein und einer Persönlichkeit kamen eigentlich nicht vor. Deshalb beschloss 837, dem Menschen seine Sicht der Dinge kurz darzulegen.
"Ich als bewusstes, denkendes und intelligentes Wesen beanspruche den Arm als mein Eigentum", tönte aus aus seinem Brustkasten, wo der Stimmmodulator eingebaut war. "Freundlich: Wenn sie ihn mir aushändigen könnten?"

Vincent übergab dem Roboter seinen Arm, zu müde, um sich über dessen seltsame Art zu sprechen und dessen Intelligenz zu wundern. Er schaute den Roboter an, wie er so mit seinem abgetrennten Arm in der noch funktionierenden Hand dastand und ihn seinerseits anzuschauen schien. "Weißt du eigentlich, wie du den Arm wieder an dich ranbekommst?", fragte er, "falls nicht: Ich kenne da einen Mechaniker, der sich auf Roboter spezialisiert hat. Er könnte dir den Arm wieder anbauen." Nach kurzem Schweigen und Vincents Bemerkung, der Mechaniker habe seine Werkstatt nur zwei Straßen weiter, stimmte der Roboter endlich zu. Vincent stellte mit einem Bedauern fest, dass sein Bett noch ein wenig warten würde. Doch seine Neugier über einen intelligenten Kampfroboter hatte letzten Endes seine Müdigkeit besiegt und so machten sie sich gemeinsam auf den Weg zu besagtem Mechaniker.

"Mechaniker" war sehr euphemistisch ausgedrückt. Er entpuppte sich im Endeffekt nämlich als Schrotthändler, der allerdings wusste, wie Roboter am besten zusammengeschraubt wurden. Den Bedenken des Roboters, die dieser äußerte, versuchte Vincent mit Beschwichtigungen beizukommen. Der Mechaniker war nämlich ein relativ guter Kunde von ihm, der schließlich wollte, dass er seinen Nachschub an billigen Drogen regelmäßig bekam. Schließlich willigte der Roboter ein und sie betraten den kleinen Laden.

"V, wie schön, dass du da bist. Ich wollte dich schon kontaktieren. Mein Zeug ist alle", begann der Händler sofort, als er die beiden Gäste bemerkte. "Morgen, Kev. Ich bin dieses Mal aus einem anderen Grund hier. Neues Zeug müsste ich zudem erst noch aus meiner Wohnung holen. Mach mir am besten ne Liste fertig, mit dem was du brauchst, ich bring es dir dann morgen vorbei. Weswegen ich heute hier bin: Der Arm muss wieder ran." Mit diesen Worten deutete er auf den Roboter, der still daneben stand. Nun wendete sich Kev interessiert an diesen. "Ein PG 837." Er pfiff überrascht durch die Zähne. Vincent erriet seine Gedanken: "Nur den Arm wieder anmontieren. Du bekommst dann dafür deine Flügel morgen kostenlos. Aber nur dann." Dieses Angebot schien den Mechaniker zu beflügeln. Selbst die billigen Drogen waren immer noch nicht günstig. Bei solch einem Angebot denkt man nicht nach, man geht darauf ein. Also arbeitete er.

Auch, wenn alle Statistiken dagegen sprachen, 837 glaubte nicht, dass dieser Mann -offensichtlich ein Drogendealer- ihm Schaden zufügen wollte. Also ging er mit zu diesem sogenannten Mechaniker. An den Wänden der Werkstatt hingen Teile von Robotern, einige Exo-Bauteile und eine Menge unidentifizierbare Schrottteile. Dieses für einen Roboter leicht makabere Ambiente verursachte zwar ein beunruhigtes Summen in seinen Schaltkreisen, doch immerhin schien er sein Handwerk zu verstehen. Nach dem er 837 zum letzten Mal mit einem gierigen Blick betrachtet hatte, fing er an, eifrig zu schrauben, fügte Kabel und Nanoleitungen wieder zusammen und schon nach 20 Minuten und 37 Sekunden war der Arm wieder voll funktionsfähig. Nach einigen probeweisen Bewegungen dankte er dem Mann und verabschiedete sich. Zusammen mit der schwarzen Gestalt trat er auf die Straße, die sich mittlerweile zusehends mit Menschen aller Art füllte.
"Dankbar: Ich bin ihnen sehr verbunden für ihre Hilfe", wandte 837 sich an seinen Helfer. Doch wenn er eines wusste, dann, dass Menschen kaum etwas umsonst taten. Er würde eine Gegenleistung erbringen müssen, um den Erwartungen der menschlichen Gesellschaft gerecht zu werden. "Wie kann ich ihnen eine entsprechend wertvolle Dienstleistung erbringen? Und wie nennen sie sich eigentlich?"

Vincent war zum Wundern mittlerweile wach genug und starrte den Roboter kurz an. "Redest du eigentlich immer so geschwollen? Wenn ja, dann bitte nicht wegen mir. Ich bin 'V', Glücksritter, Draufgänger und.. nun, nennen wir es Fachkraft zum Verkauf von Flügeln." Er kicherte kurz über diesen Begriff. "Und wo wir schon dabei sind: Du denkst, also musst du doch nen Namen haben, oder nicht? Wie lautet denn der?"

Mit der Ausdrucksweise dieses Mister V konnten hatten 837s Semantik-Datenbanken zwar teilweise Probleme, doch das geschah immer, wenn Menschen in abstrakten Bildern und Metaphern Sprachen. Vielleicht handelte es sich auch um eine Redewendung, die er nicht erfassen konnte. Wer wusste das schon.
"Sehr erfreut, Mister V", sagte 837, enthusiastisch wie immer. "Leider wurde mir bei meiner Herstellung nie so etwas wie ein Name gegeben und ich hielt es nie für nötig, mir einen zuzulegen. Das Konzept der Namen klingt so seltsam. Es sind doch nur Laute, mit denen man Personen bezeichnet. Es sind nicht einmal beschreibende Wörter, einfach nur Laute ohne Sinn. Aber ich weiß, dass ein Erkennungslaut nützlich ist. Meine Seriennummer lautet PG 837, sie können mich aber nennen, wie sie wollen. Egal ob John, Liang, *unaussprechbares Geräusch aus dem Modulator* oder Steve, sagen sie, wie sie mich nennen wollen und ich werde den Laut abspeichern."

Eine Taube, grau und voller Schadstoffe vom Leben in der Stadt, flog durch die steilen Häuserschluchten Shanghais. Während die Sonne weiter den Himmel emporkletterte, blieben die Gassen der Unterstadt weiter in dunkel. Gefangen in Schatten und Neonlicht herrschte dort ewiges Zwielicht. Die Menschen gingen ihren mühseligen Beschäftigungen nach, trotteten von Haus zu Werkstatt, von Werkstatt zu Bahnhof, von Bahnhof ins Büro und wieder zurück. So, wie sie es seit Jahren taten. Und während die Menschen der Unterstadt immer mürrischer und gekrümmter zur Arbeit gingen, wuchsen die Bürotürme und Konten der Megakons ins Unendliche.
Doch halt, was war das? Eine Frau drängelte sich durch die Menschenströme und teilte kräftig mit ihren Ellenbogen aus. Einige Passanten blieben stehen, um ihr etwas nachzurufen, doch sie verstummten alle, als die Verfolger der Frau sie erreichen. Von der narrativen Neugier des mysteriösen, allwissenden Erzählers, der sich spontan materialisiert hatte, angetrieben, flog sie etwas näher. Eine kleine Gruppe Männer mit Sturmgewehren, kugelsicheren Panzerung und dunklen Uniformen pflügte durch die Menge und verkleinerte beständig den Abstand zu der Flüchtenden. Rücksichtslos teilten sie mit den Griffen ihrer Gewehre Schläge in alle Richtungen aus.
Kopfschüttelnd drehte die Taube wieder ab. Menschen waren ihr einfach zu ungehobelt.

Vincent überlegte kurz. "Echt? Ich darf dich nennen, wie ich will? Cool!" Ein breiteres Grinsen hatte er wahrscheinlich nur auf seinen ersten Trips im Gesicht. "Ich nenne dich 'Roby'." Er grinste noch breiter und beschloss gut gelaunt und mittlerweile sehr wach, seinen neu gewonnenen Freund - konnte er den Roboter so nennen? - auf einen Drink einzuladen. "Willst du was trinken? Ich habe gerade genug Geld und würde dir was spendieren. Ich kenne da in der Nähe eine Bar, die auch von Androiden besucht wird, es gibt da also auch Öl, Sprit und ähnliches." Zu seiner Freude willigte der PG nach kurzer Zeit intensiven Berechnens ein und so machten sie sich auf den Weg.

Weit kamen sie nicht. Vincent hatte wirklich Pech heute, was das Umgerannt-werden angeht. Dieses Mal war es jedoch kein kleiner Junge mit Anhängsel, sondern eine junge Frau, die auf der Flucht zu sein schien. Schon hatte sie ihn wieder hochgezogen und an die Wand gepresst und hielt ihm ein Springmesser unter die Nase. Doch sie hatte die Rechnung ohne den Kampfroboter gemacht. "Befehl: Fallenlassen", kam aus seinem Stimmmodulator. Sie schien V nicht als Feind zu erkennen, denn sie musterte ihn mit ihren kristallklaren Augen, in die er nun schaute, doch der Roboter machte sie nervös. Also steckte sie ihm etwas in eine seiner vielen Hosentaschen und hauchte irgendetwas von "gut aufpassen". Direkt danach war sie wieder weitergerannt. Selbst der PG schien verwirrt. Er senkte seine Fäuste wieder.

Viel Zeit zum Wundern blieb nicht, denn schon hielt eine Horde Polizisten, offensichtlich eine Spezialeinheit, auf sie zu. "Ruhig, Roby", sagte Vincent, da der Roboter sich wieder in seine Kampfstellung stellte. Er beruhigte sich wieder und stellte sich normal hin. Dann war die Einheit da. "Habt ihr eine rennende Frau gesehen?", kam auch schon sofort die Frage. Einer Eingebung folgend deutete Vincent in die eindeutig falsche Richtung und fing an: "Da müsst ihr euch aber beeil..." Sie hatten nur den Finger gesehen und waren weitergerannt, ohne weiter auf ihn zu achten. Vincent und Roby sahen sich an, beziehungsweise: Vincent blickte den Roboter an und dieser wendete sich ihm zu. Schließlich zuckte er -mit dem Gefühl, etwas vergessen zu haben- mit den Schultern und sie gingen ihrem ursprünglichen Plan nach, also in besagte Bar.

Gegen Abend waren sie noch immer zusammen unterwegs und so nahm Vincent Den Roboter mit nach Hause. Etwas anderes blieb ihm scheinbar auch nicht übrig, denn der Roboter schien nicht von seiner Seite weichen zu wollen. Da zeigte sich vielleicht doch noch etwas von seiner alten Programmierung, die keine Eigenständigkeit zuließ. Sie kamen endlich in Vincents Containerkomplex an und kletterten in den Obersten. Dieser war eindeutig der gemütlichste Raum und mit einer Fensterscheibe ausgestattet, da man von ihm aus einen Blick voller Industrieromantik über den Slum hatte. Vincent hatte dank dieses Blicks schon so manchen gemütlichen Abend mit Drogen verbracht.

Dieses Mal wurde das Panorama jedoch von der Silhouette einer schlanken Gestalt in Mantel durchschnitten. Vincent riss seine Pistole aus seiner Tasche und zielte, PG begab sich in Angriffsposition. "Guten Abend, Mr. Davul", erklang eine ruhige Stimme, "ich will Ihnen nichts Böses, Sie können die Waffe also runternehmen und ihrem Roboter sagen, dass er mich bitte nicht anzugreifen braucht." Mit diesen Worten drehte die Gestalt sich um. Im schwachen Licht machte Vincent das Gesicht der Frau von heute morgen aus.

Blitzschnell scannte PG „Roby“ 837 die Frau. Sie schien einer europäischen Ethnie anzugehören, denn ihre Augen waren kristallblau, ihre Haare allerdings beinahe schwarz. Sie war relativ groß, für asiatische Verhältnisse jedenfalls, schlank und trug einen offenen, weiten Mantel. Sie schien unbewaffnet zu sein, doch 837 beschloss, lieber trotzdem wachsam zu bleiben. Er hatte nämlich beschlossen, dieses seltsame Subjekt V ersteinmal zu begleiten. Er sehnte sich nach einer Aufgabe, nach einem Sinn in seiner Existenz, und diese schien ihm eine ganz gute Wahl zu sein. Auch, wenn er vieles, was Mr. V sagte, nicht ganz verstand, schien er weniger brutal zu sein, als der Großteil der Stadt.
"Guten Abend, Mr. Davul", sagte die Frau, "ich will Ihnen nichts Böses, Sie können die Waffe also runternehmen und ihrem Roboter sagen, dass er mich bitte nicht anzugreifen braucht." V machte eine beruhigende Geste zu 837.
"Was tun sie in meiner Wohnung?", fragte er die Frau.
"Sie haben etwas, das mir gehört". Sie deutete auf eine seiner Taschen. "Danke für das Versteck". Mit einem Augenzwinkern wollte sie erneut in seine Tasche greifen, doch V trat einen Schritt zurück.
"Mooment, erst willl ich wissen, was ich für sie versteckt habe, wer auch immer sie sind!" Er griff in seine Tasche und förderte einen kleinen Memory-Stick zutage.
"Ich besitze eine Infrarot-Schnittstelle. Ich werde die Informationen abrufen", meldete sich Robys sonore Stimme.
"Sehr praktisch", kommentierte V und warf ihm den Stick zu.
"Das würde ich an ihrer Stelle nicht tun", warnte die Unbekannte. "Sie verstricken sich in etwas, mit dem sie lieber nichts zu tun haben wollen. Geben sie mir den Stick und vergessen sie mich wieder. Das ist das Beste für alle." Doch Robys Drang, sich Informationen einzuverleiben war stärker und auch Mr. V blickte interessiert.
"Abgelehnt", tat er deshalb kund. Ein kleines Stück seines Armes klappte auf und offenbarte eine kleine Kammer unter der Oberfläche. Die Proteste der Frau ignorierend legte er den Stick hinein. "Initialisiere Treibersoftware... ... ... ... ... ...Initialisierung abgeschlossen. Rufe Informationen ab... ... ..." Eine Flut von Daten überschwemmte sein virtuelles Gehirn. Mehr, als er auf die schnelle erfassen konnte. Da waren Personalakten, Gebäudepläne, Schriftdokumente, Videos, Artikel, aufgezeichnete Telefonate, Fotos, ganze Datenbanken an Objekten...
"Verbleibende Zeit...5M 37S", meldete er.
"Damit ist es entschieden", seufzte die Frau. Sie wirkte erschöpft. Während 837 mit der immensen Masse an Daten kämpfte, sie abrief, erfasste, katalogisierte und ordnete, auf der Suche nach kausalen Zusammenhängen und logischen Rückschlüssen, ließ die Frau sich auf den Boden sinken.
"Nun, dann kann ich auch gleich meinen Namen verraten." Sie sprach leiser und weniger selbstsicher als noch vor einigen Minuten.
"Ich bin Ylva Xung und bis vor wenigen Tagen war ich eine führende Managerin bei "Robotic Design", dem momentan größten Megacon in Sachen Robotik. Jetzt bin ich auf der Flucht. Der Roboter kann ihnen bald sagen, warum."

Vincent grinste wieder einmal. "In etwa 5 Minuten sagte Roby. Das reicht mir vollkommen." Er zog einen Psycho Stick aus seiner Tasche, eine extremst wirksame Mischung aus verschiedenen Substanzen in Form einer Zigarette. Selbst Laien hätten erkannt, dass dieses Ding nicht legal war. Ylva Xung schaute dementsprechend schockiert, als Vincent sich diesen Drogencocktail anzündete und den Rauch genüsslich inhalierte. "Auch nen Zug?", kam die Frage des Dealers an die Flüchtige, wohl wissend, dass sie verneinen würde, was sich sofort bewahrheitete.

'Immerhin ist er höflich', dachte Ylva bei sich. Sie fühlte sich komisch. Heute Morgen war sie noch aufgestanden und hatte im Großen und Ganzen einen ganz normalen Tag. Dann war sie zur Arbeit gegangen und dort kamen dann irgendwann die Polizisten herein. Ab da wusste sie, dass sie aufgeflogen war und flüchtete. Nachdem sie fertig damit war, den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen, beschloss sie das Beste aus ihrer Situation zu machen und sah sich im Zimmer um.

Es war ein sehr geräumiger Raum -logisch, war schließlich ein Container. Er war sehr dunkel, aber dennoch gemütlich gehalten. Die Einrichtung war größtenteils schwarz oder in dunklen, aber angenehmen Farben wie Weinrot gehalten. Der Boden war mit Teppich ausgelegt und auf den zahlreichen Sesseln und Sofas lagen viele Kissen herum. Hier und da hingen Tücher und auf die Wände waren ineinander verschlungene Muster gemalt. In der Ecke stand ein Kamin und mitten im Raum hing eine Hängematte. Abgerundet wurde das Bild durch die große Glasfront, die fast die gesamte Breitseite des Containers einnahm und einen großartigen Blick auf den Slum freigab. Zwischen den Baracken stiegen einige Rauchfahnen auf, die riesigen Leuchtreklamen aus den Hauptstraßen beschienen indirekt um mehrere Ecken den Bezirk.

Wenn man ausblendete, dass dort unten Menschen lebten, die so arm waren, dass einige von ihnen vielleicht nicht einmal die nächste Woche erleben würden, war die Atosphäre wirklich wunderschön. Ylva war froh, dass Mr. Davul vorerst keine Fragen stellte, und entspannte sich ein wenig.

Die Zeit wurde schweigend verbracht. Keiner der drei war wirklich böse drum. Der Roboter war damit beschäftigt, den Stick auszuwerten, Vincent genoss seinen Rausch und Ylva die Aussicht. Sie begann, sich mit jedem Augenblick wohler zu fühlen. Als Vincent zusätzlich noch Räucherstäbchen und Duftkerzen anzündete, war die Ruhe vollkommen. Nicht einmal den Killerstick fand sie noch unfassbar schlimm, der war nur ein wenig störend.

Vincent war noch nicht ganz fertig da klopfte es unten heftigst an die Tür. Ylva fuhr sofort hoch, während Vincent eher genervt aufsah. "Wer ist denn das? Das muss ja wirklich dringend sein, wenn der so klopft." Mit diesen Worten raffte er sich auf und schlurfte zur Leiter, die zu den unteren Containern führte. Nach wenigen Minuten kam er wieder. PG 837 war inzwischen fertig mit dem Auswerten. Vince sah in dessen ausdrucksloses und in Ylvas angespanntes Gesicht.

"Ich habe leider seit gerade keine Zeit mehr, mich mit euch darüber zu unterhalten, was auf dem Stick ist. Ich muss weg." Mit diesen Worten stapfte er zu einem Teppich hinüber, schob ihn beiseite und öffnete die darunter liegende Klappe. Aus dem Fach im Boden holte er einen Beutel hervor, schaute kurz hinein, nickte dann und stopfte ihn in seinen Rucksack. Dann schloss er die Klappe im Boden wieder ab und legte den Teppich drüber. Er blickte wieder zu seinen zwei Gästen und grinste. "Ich bin morgen wieder da. Die Küche befindet sich im Container gegenüber der 'Haus'-Tür, das Badezimmer ist in dieser Etage im 'kleinen' Nebencontainer. Bedient euch einfach. Geschlafen wird da, wo es am Besten gefällt. Wir reden morgen über den Stick." Er hielt kurz inne, als ihm bewusst wurde, dass er zwei Nächte hintereinander auf Partys ging, ohne sich groß ausgeschlafen zu haben. "Nachdem ich ausgeschlafen habe, versteht sich. Bis morgen." Mit diesen Worten wandte er sich wieder der Leiter zu. Kurz bevor er sie erreichte, kehrte er noch nochmals um und legte den beiden Anderen die Hände auf die Schultern. "Bleibt am Besten einfach hier. Hört Musik oder vertreibt euch sonst wie die Zeit. Hier seid ihr sicher." Diese Worte kamen trotz seines Zustands sehr klar aus seinem Mund hervor. Dann ging er.

Ylva schaute den Roboter an. "Fragend: Dann morgen", schnarrte die Stimme des Roboters aus seinem Modulator. Ylva nickte bloß. Sie war froh, fürs Erste einen einigermaßen sicheren Platz gefunden zu haben. Ihr Haus würde mit großer Wahrscheinlichkeit unter Beobachtung stehen, also hätte sie ohnehin nicht dorthin gekonnt. Und auch wenn der kleine Containerkomplex von Mr. Davul nicht unbedingt der sicherste Ort der Welt war, so war er besser als keine Unterkunft. In die Hotels hätte sie auch nicht gekonnt, da diese unter der Kontrolle der Industriellen standen. Also beschloss sie, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Der Roboter schloss sich an eine Steckdose, die er entdeckt hatte und tankte zusätzliche Kraft. Ylva begann währenddessen mit der Erkundung der Wohnung. Sie ging zur Tür, die laut dem Dealer ins Bad führte. Von dort führte eine kurze Treppe ein wenig hinab. Das Bad war offensichtlich auf mittlerer Höhe zwischen zwei Containern angebaut worden. Neben der Treppe zum Panoramazimmer hoch führte, wie in einem Treppenhaus, eine weitere in die gleiche Richtung nach unten.

Das Bad selber war nicht klein, wie Mr. Davul ihn genannt hatte. Er war nur ein wenig gekürzt, was ihn jedoch nicht unbedingt kleiner machte. Das Bad war sauber und relativ luxuriös. Unwillkürlich fragte sie sich, was für ein Dealer er sein würde, wenn er sich so etwas leisten konnte. Sogar ein großer, gut verarbeiteter Spiegel stand hier. Eine Badewanne UND eine Dusche konnte sich auch nicht jeder leisten. Das Waschbecken hatte sogar seinen eigenen Spiegel. Dieser Raum war an den Wänden mit einem onyxfarbenen Material ausgekleidet. Auch hier standen Kerzen herum. "Hier drüber muss die Dachterasse sein, über die ich hereingekommen bin", dachte Ylva und beschloss, sich die weiteren Räumlichkeiten auch noch anzusehen.

Sie ging die Treppe hinunter und fand sich in einer Art großem Kleiderschrank wieder. Zumindest stand ein Tisch mit Nähmaschine in der Mitte des Containers und an den Wänden waren viele Klamotten an Stangen aufgehängt. Es waren größtenteils schwarze Hosen mit Neonnähten, Tank-Tops und Tücher. Auch Schmuck hing dazwischen. Doch das ein oder andere Kleidungsstück tanzte aus der Reihe: Ein Bademantel fiel ihr ins Auge. Sie lächelte und wusste instinktiv, was sie machen würde. Auf der anderen Seite des Raumes fiel ihr eine weitere Tür auf. Als sie sie aufmachte, kam dahinter ein kleiner Raum mit Waschmaschine und Trockner zum Vorschein. Sie fasste sich verwundert an den Kopf und schüttelte ihn dann. Was hatte sie denn erwartet, wie Dealer leben? Es waren schließlich auch nur Menschen. Sie schloss die Tür wieder und ging die Treppe an der einen Seite des Containers nach unten.

Sie fand sich im Eingangsbereich wieder. Dieser Raum war im Gegensatz zu den vorherigen nicht besonders aufregend eingerichtet. Immer noch relativ elegant, jedoch sehr schlicht. Deshalb wandte sie sich auch sofort der Küche zu.

Diese war sehr sauber und neben den üblichen Gerätschaften standen auch andere auf den Arbeitsflächen am Rand herum. Hier zeigte sich also, dass er nicht nur Dealer, sondern offensichtlich auch Produzent von Drogen war. Ylva wollte sich angewidert abwenden, bemerkte dann aber in der Ecke noch eine Klappe. Sie öffnete sie und stieg in den darunterliegenden Raum. "Ein Keller? Wozu?" fragte sie sich. Als sie unten stand wusste sie es. Es war eine Vorratskammer. Überwiegend standen hier Konserven herum, ansonsten war es auch hier nicht sonderlich interessant.

Als sie wieder in der Küche stand, machte sie sich dran, ihren Plan durchzuführen. Sie durchsuchte die Küche nach Tee, fand ihn schließlich und machte sich eine Kanne damit. Mit dem Tee ging sie kurzerhand nach oben ins Kleidungszimmer und nahm sich den Bademantel vom Haken. Als sie dies im Badezimmer verstaut hatte, lies sie sich eine Wanne Wasser ein. Bevor sie sich auszog, überprüfte sie noch einmal, ob der Roboter noch an Ort und Stell saß. Anschließend schlüpfte sie in die Wanne und entspannte sich erst einmal. Dies könnte ein sehr schöner Abend werden, dachte sie sich.

Als Vincent am nächsten Morgen nach Hause kam, freute er sich schon auf seine Hängematte. Duschen konnte er noch danach. Er stapfte nach oben, klatschte sich im Badezimmer noch Wasser ins Gesicht und stieg die letzten Stufen in seinen Wohncontainer hoch. Er blickte kurz umher. Der Roboter hing an der Steckdose und die Frau lag schlafend auf einem Kissenberg in seinen Bademantel eingewickelt vor dem Kamin, in dem die Überreste des Feuers noch ein wenig glühten. Es war also alles in Ordnung. Er zog sich seinerseits aus und legte sich in seine Hängematte unter seine Decke. Endlich konnte er mal in aller Ruhe schlafen.

Es war später Nachmittag, als er aufwachte. Der Roboter und die Frau, saßen an verschiedenen Ecken der Panoramascheibe. Sie hatte mittlerweile wieder ihre normalen Klamotten an. "Guten Morgen", grüßte Vince verschlafen und leicht verkatert in die Runde und wandte sich an die Frau: "Dürfte ich den Bademantel haben, den du gestern anhattest?" Er verschwand nach nebenan und kam irgendwann frisch geduscht in frischen Klamotten mit einem Kaffee in der Hand wieder ins Zimmer. "So", eröffnete er das Gespräch, "kommen wir nun zum interessanten Teil des Tages. Wer genau sind sie und was hat es mit dem Memory-Stick auf sich?"

Um 3.46 hatte PG 837 endlich die verwirrende Datenflut bewältigt. Einem Menschen wäre es vermutlich leichter gefallen, all die kausalen Verbindungen herzustellen und aus einzelnen Fakten eine Hypothese abzuleiten, doch kein Mensch hätte all diese Daten so schnell sichten können wie ein Roboter. Doch PG war nur als halbintelligenter Roboter geschaffen, deshalb kostete ihn die Verknüpfung einen Großteil der Zeit. Als er schließlich fertig war, kroch ein kaltes Gefühl sein Gehäuse hinauf. War das...Angst? Sorge? Oder...Erregung? Eine Mischung vielleicht. Dieser Stick war wirklich purer Sprengstoff, metaphorisch gesehen.
PG setzte sich vor das große Panoramafenster und betrachtete die Stadt. Und er dachte nach...

Es dauerte bis zum nächsten Nachmittag, bis Mister V endlich erschien. PG erwägte kurz, in über den biologischen Schlafrhythmus des Menschen und seine Vorteile aufzuklären, doch er entschloss sich dagegen. "So", eröffnete Vince das Gespräch, "kommen wir nun zum interessanten Teil des Tages. Wer genau sind sie und was hat es mit dem Memory-Stick auf sich?"

Ylva sprach zuerst. "Wie ich bereits sagte, ist mein Name Ylva Xung. Mein Vater stammte aus Schweden, einem kleinen, provinziellen Land. Er war Experte für Robotik und KI-Design. Ich wurde hier geboren und schlug einen ähnlichen Weg ein. Mein Sepzialgebiet ist Robo-Informatik. Bis vor ein paar Tagen war ich damit bei "Robotic Design" als hohe Managerin tätig. RB entwickelt die sogenannten Nexus-Modelle, über die der Roboter ihnen etwas verraten kann. Nun, in den letzten Monaten gab es auf dem Bereich der KI-Entwicklung einige Durchbrüche. Doch sie wurden nicht öffentlich bekannt gegeben, und so wurde ich misstrauisch...der Grund meines Misstrauens liegt auf dem Stick, für den ihr Roboter so lange gebraucht hat. Er ist anscheinend hoffnungslos veraltet, sie sollten ihn ersetzen. Was für ein Modell ist er eigentlich?"
Vincent verkniff sich ein Grinsen. "Er heißt Robbie und er kann für sich selbst sprechen."
"Bestätigend: So ist es", verkündete Robbie. Nebenbei fiel ihm auf, dass er sich selbst nie Robbie nannte...etwas an dem Namen schien ihn zu stören, doch er wusste nicht was...so ein Bewusstsein konnte schon etwas ärgerliches sein. "Serie: PG, Modell: 837. Eingesetzt als Arbeits- und Kampfroboter. Gesteuert durch eine zentrale KI. Seit der Zerstörung dieser KI bilde ich ein seperates Individuum. Drohend: Sie täten gut daran, dies zu akzeptieren."
Ylva gestikulierte beschwichtigend. "Schon gut, ich habe verstanden."
PG schien sich damit zufrieden zu geben. Normalerweise machte er sich kaum etwas daraus, als Untergebener oder Eigentum behandelt zu werden, schließlich war er das den Großteil seies "Lebens"...doch seit dem Stick schwirrten die seltsamsten Gedanken in seinen Prozessoren herum.
"Auf dem Stick befinden sich Daten, die mit der Nexus-4 Generation zu tun haben. Die Nexus-Reihe wurde von RD entwickelt, um intelligente Androiden zu entwickeln. Bisherige Androiden sehen täuschend menschlich aus, sind aber zu keinen eigenen Gedankengängen fähig. Sie besitzen eine SI, eine simulierte Intelligenz. RD verfolgte den ehrgeizigen Plan, einen tatsächlich intelligenten Androiden zu erschaffen. Die Generationen 1 bis 3 des nexus-Modells zeigten vielversprechende Ansätze, erwiesen sich in den Tests dann aber doch als lediglich sehr gute SIs. Doch vor 3 Monaten, 14 Tagen und 22 Stunden bekam Shian Wang, der Leiter des Nexus-Projektes, von einer ihm unbekannten Person einige Informationen zugespielt. Dabei schien es sich im IT-Codes gehandelt zu haben, mit deren Hilfe Wang in der Lage war, eine tatsächlich intelligente KI zu erschaffen, die selbstständig lernen, sich weiterentwickeln, eigene Gedankengänge und Wünsche formulieren und angeblich sogar Gefühle haben konnte! Beeindruckt: Wang hatte Bewusstsein erschaffen, ein Wesen erschaffen!"
Ylva schaltete sich ein: "Und das war der Punkt, an dem ich misstrauisch wurde. Ich hatte von den großen, plötzlichen Fortschritten der KI-Programmierer des Nexus-Projektes gehört, doch plötzlich war da komplette Stille, keiner wusste, was sie grade taten. Also forschte ich nach und stellte fest, dass Projektleiter Wang ohne Erlaubnis des Führungsstabes begonnen hatte, die Nexus-4 Serie zu produzieren!"
"Wang wusste, dass man ihm nie gestatten würde, die N4-Serie zu produzieren, wenn er ihre Codierung nicht verstand, denn das tat er nicht. Die Codes waren zu komplex für ihn und sein Team. Also beschloss er, sie heimlich herzustellen, neue Intelligenzen zu schaffen und sie mit den individuell angefertigten Körper der alten N3-Serie zu verbinden. Er hoffte, die Firma wäre begeistert, wenn er sie vor vollendete Tatsachen stellen würde. Doch dem war natürlich nicht so. Es wundert mich, wie Projektleiter Wang sich so lange diesem irrationalen Gedanken hingeben konnte. Die Firma war entsetzt, und das zu Recht. Einen vollkommen intelligenten Roboter zu haben wirft viele Fragen auf. Muss man ihm mit Bürgerrechten ausstatten? Ist er ein Mensch? Mehr? Weniger? Wenn man ihn verkauft, ist das dann Sklaverei? Lassen sie sich überhaupt kontrollieren? Was unterscheidet sie noch von Menschen? Einige Exos oder alte Bürger mit vielen Protheses sind mehr robotisch als oragnisch. RD wollte einen Skandal verhindern und beschloss, die N4-Serie zu vernichten. Doch als man sie holen wollte, waren sie verschwunden! Das geheime Labor, in dem sie getestet wurden, wurde angegriffen und die N4-Serie befreit. Die Bänder der Überwachungskameras legen nahe, dass derjenige, der Projektleiter Wang die Informationen zuspielte, sich unter den Angreifern befand. Die N4s schienen ihre programmierte Loyalität der Firma und den Robotergesetzen gegenüber ohne Probleme ablegen zu können. Ihre KIs waren in diesem Sinne instabil, Wang hatte nicht verstanden, wie sie funktionierten und kam nicht an die tieferliegenden Codes heran. Nun, jedenfalls scheint es, als seien mindestens 20 intelligente Nexus-4 Modelle entkommen.
"Dieser Vorfall schlug natürlich seine Wellen und ich wurde misstrauisch", ergänzte Ylva. "Doch jeder hüllte sich in Schweigen. Schließlich sah ich keine andere Lösung mehr, als den Pad eines Vorgesetzten zu stehlen. Ich zog alle wichtigen Informationen auf diesen Stick, doch kaum war ich damit fertig, mir meine Schlüsse zu ziehen, da tauchten die Con-Truppen der Firma auf. Sie verfolgten mich und wollten mich offensichtlich auf offener Straße erschießen!" Sie schauderte. Sie hatte stets in den höheren Levels der Stadt gelebt. Hier unten war ein Leben nichts wert, das begriff sie langsam. "Nun, das ist jedenfalls meine Geschichte. Ich wollte sie in diese dunkle Verschwörung nicht hineinziehen, aber sie waren ja so starrsinnig, dass sie den Stick unbedingt analysieren mussten!" Der Stress und die Angst der letzten Zeit kehrte plötzlich wieder zurück und sie wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt.

Vince lehnte sich zurück und pfiff leise durch die Zähne. Das war wirklich eine heikle Sache, in die er da hineingeraten war. Er konnte auch nicht wieder raus, zu groß war seine Neugier auf den Memorystick gewesen. Wenn die Oberen herausfanden, was er wusste, war er ebenso zum Abschuss frei gegeben wie die junge Dame. Er spielte kurz mit dem Gedanken, sie an die heimlichen Feinde der Firma zu verkaufen, verwarf ihn aber direkt danach wieder. Bei ihnen blühte ihm das gleiche Schicksal. Er musste sich also so verhalten wie immer, was allerdings nicht all zu schwer werden konnte, ihm wurden von seinen Gönnern schließlich genug Freiheiten eingeräumt.

Also lehnte er sich zurück und sagte zu Ylva: "Okay, du hast Recht. Meine Neugier war zu groß, ich komm also nicht mehr aus der Sache raus. Ich helfe dir dabei, unterzutauchen und so weiter. Du kannst also hier wohnen. Du wirst ein neues Aussehen brauchen, wenn du hier unten in der Anonymität der Straße überleben willst. Du brauchst eine neue Frisur und eine neue Haarfarbe, neue Klamotten, generell muss alles neu gemacht werden." Er sah Ylvas Blick und fügte hinzu: "Ich weiß, dir gefällt das nicht. Aber wenn du denen da oben wirklich eins auswischen willst, dann musst du verborgen bleiben. Und so, wie du gerade rumläufst? 'Ne Bürotante mit dreckigen Klamotten? Dich hält jeder hier sofort für eine gute Möglichkeit, gegen ein Lösegeld oder sowas aus dem Dreck aufzusteigen. Also, was sagst du? Nimmst du meine Hilfe an?" Ylva zögerte kurz, schien nachzudenken. Mit sichtlichem Widerwillen willigte sie ein. Was hatte sie noch zu verlieren? Im Grunde war dies ihre einzige Chance, ihr Leben zu retten und gleichzeitig etwas zu bewirken.

In den nachfolgenden Stunden änderte sich Ylvas Aussehen drastisch. Die Haare wurden zunächst von Vincent auf einer Seite gnadenlos abrasiert. Auf der anderen Seite schnitt er so in die Haare hinein, dass sie ausgefranst waren. anchsließend färbte er einzelne Strähnen in ein dunkles Rot um. Mit der Anweisung, sie solle sich generell ein wenig dunkler schminken, ging Vincent schließlich in sein Ankleidezimmer. Er kam nach einigen Stunden mit frisch genähten, neuen Klamotten wieder. "Ich hatte nur schwarz da. Ich hoffe, du fühlst dich nicht allzu unwohl darin." Sie ging sich umziehen und betrachtete sich im Spiegel. Sie trug nun schwarze Klamotten mit feinen, roten Nuancen. Die Hose war schlicht und eng anliegend. An einigen Stellen, die scheinbar wahllos ausgesucht wurden, waren Ösen befestigt. Das Oberteil war ein einfacher, dünner, undurchsichtiger Pullover ohne Kapuze mit roten Nähten an der Seite. Der Mantel war allerdings alles andere als schlicht. Er hatte einen hohen Kragen und einen Reisverschluss, der von der rechten Schulter diagonal bis zur linken Hüftseite führte. Über dem Reisverschluss ließen sich Schnallen schließen. Die Ärmel waren zu den Händen hin geweitet und der Stoff unterhalb der Hüfte fiel in vier breiten Streifen herunter. Ihre Schuhe hatte Vincent zu Stiefeln verarbeitet, die fast bis zu den Knien gingen und durch unzählige kleine Schnallen verschlossen wurden. Alle Klamotten saßen wie angegossen und waren aus feinem Stoff. Davul hatte zwar gutes Augenmaß bewiesen, doch wieder stellte sie sich die Frage, wie weitreichend seine Beziehungen waren, dass er sich solchen Stoff leisten konnte.

Ylva betrachtete sich im Spiegel und lächelte. Sie sah gut aus. Beim weiteren Inzpiezieren der Kleidung fiel ihr auf, dass sie das, was sie beim Pullover zuerst für einen Kragen gehalten hatte, über ihre Nase ziehen konnte, um ihr Gesicht zu verdecken. Sie ging zurück zu den anderen beiden. Als sie eintrat, wurde sie erwartungsvoll angeschaut. Nun, zumindest von einem der Beiden. Der Roboter schaute in ihre Richtung, zeigte allerdings mangels motorischer Fähigkeiten keinerlei Regung. Vincent schien sich selbst für seine Arbeit auf die Schulter zu klopfen, schien aber auch von ihr selbst beeindruckt. Er konstatierte: "Steht dir." Im nächsten Moment schwang er aber gleich auf ein anderes Thema um. "Es ist noch früh am Abend, feiern wir ein wenig?" Er grinste breit in die Runde.

837 schüttelte den Kopf. Natürlich nur innerlich. 20 offensichtlich intelligente Roboter, die kaum von Menschen zu unterscheiden waren, konnten durch die Hilfe eines mysteriösen Fremden, der maßgeblich zu ihrer Erschaffung beigetragen hatte, aus einem stark gesicherten Industriekomplex entkommen und liefen jetzt sonstwo durch die Megacity und Mister V dachte mal wieder nur an hedonistisches Vergnügen, vermutlich in Verbindung mit gewissen Halluzinogenen oder neuartigen Cyberdrogen-Flashs. Sie hatten schon genug Zeit damit verschwendet, Ylvas optische Erscheining umzugestalten.
"Dazu ist keine Zeit, Master V", sagte PG. Ich befürchte sogar, es wird für eine ganze Weile keine Zeit mehr dafür sein. Es ist ohnehin kein Hobby, mit dem man alt wird. Vie eher sollten wir uns zunächst darauf konzentrieren, aus der akuten Lebensgefahr zu kommen. Vermutlich werden wir von allen Paramilitärs der Firma "Robotic Design" sowie allen zum Firmenkomplex gehörigen, privatisierten Polizeiwachen gesucht. Sie wollen verhindern, dass das Wissen um den Zwischenfall mit besagten entkommenen Nexus-4 Modellen ans Tageslicht kommt. Daher halte ich eine Veröffentlichung dieser Daten zum jetzigen Zeitpunkt nicht für ratsam. Wir sollten versuchen, unseren Informationsfundus in dieser Sache zu erweitern. Vor allem jede Information, die mit dem mysteriösen Fremden zu tun hat, sollte höchste Priorität besitzen."
Ylva nickte zustimmend. "Das interessiert mich auch. Erst ermöglicht er den Bau dieser Roboter, dann stiehlt er sie mit einer kleinen Privatarmee. Was sind wohl seine Pläne mit den Robotern?"
Vincent guckte nachdenklich aus dem Fenster. Wahrscheinlich behagte es ihm nicht, eine Nacht im Rausch und Exzess gegen eine Nacht voller Rätsel und Gefahr einzutauschen. Doch schließlich nickte auch er. "Ich kenne da jemanden, der uns helfen könnte, etwas über den Überfall auf das geheime Labor herauszufinden. Er ist sehr sonderbar, aber eer sollte uns helfen können."
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